Die neue Ausstellung „I Put a Spell on You“ der GOLDWERK GALERIE in Rostock zeigt ab dem 19. Februar 2022 Fotoarbeiten von Ingar Krauss, Knut Wolfgang Maron, Adrian Sauer und Skulpturen von Dieter Kränzlein. I Put a Spell on You? Ich verzaubere dich – ich verwünsche dich – ich ziehe dich in einen Bann! Der Titel ist weder Drohung noch Zauberspruch oder Spielerei: Er ist eine Ansage und ein Versprechen, denn diese Ausstellung fasziniert in vielen Dimensionen. Zeit und Erfahrung, Bewegung und Prozess, Fläche und Raum spielen bei allen vier Künstlern eine wichtige Rolle.
Ein klassisches Foto hat nur zwei Dimensionen, die Fotoarbeiten der gezeigten Künstler jedoch lassen diese Zahl exponentiell steigen: die sinnlichen Struktureffekte der Naturstillleben von INGAR KRAUSS; die überzeitliche Tiefe der Landschaft bei WOLFGANG MARON; die digitale Klaviatur der Rot-Gelb-Blau-Skala bei ADRIAN SAUER. Das magische Künstler-Quartett wird komplettiert durch die konkreten Skulpturen eines DIETER KRÄNZLEIN, der die massive Kompaktheit von Muschelkalk und Marmor in Dynamik und Bewegung verwandelt – durch Schneiden, Fräsen, Spalten, Schichten und Kolorieren wird das Schwere leicht und das Starre lebendig.
Mit welchem Ihrer Sinne Sie mindestens einem der vier Künstler verfallen, überlassen wir den Besucher:innen der Ausstellung „I Put a Spell on You“ gern – bis zum 8. April, dienstags bis samstags von 11 bis 18 Uhr, in der GOLDWERK Galerie im Klosterhof 5 in Rostock. Die Ausstellung wird am 19. Februar 2022 um 17 Uhr eröffnet.

I Put a Spell on You – Die Fotoarbeiten

I Put a Spell on You – wer den Song kennt weiß, welche Gänsehautschauer einem über den Rücken jagen können, wenn Screamin’ Jay Hawkins mit Voodoogesten markerschütternd singschreiend das Objekt seiner Liebe verzaubern möchte, um es für sich zu gewinnen. Wenn eine Gruppenausstellung diesen Titel trägt, so darf man von den Bildern dieser Ausstellung erwarten, dass sie ihr Publikum auf Anhieb ästhetisch verführen und unheilbar in ihren Bann schlagen. Die Werke dieser Ausstellung haben dieses Potenzial.

Ingar Krauss

Mare Triticum betitelt Ingar Krauss seine Serie, die fünf Ausschnitte eines Kornfelds zeigen, über die der Wind streicht. Die Windbewegungen erzeugen betörende Struktureffekte und verleihen den kraftstrotzenden, im Wind tanzenden Ähren die Anmutung eines verwirbelten Tierfells, das man am liebsten anfassen möchte. Auch in Ingar Krauss‘ Stillleben geht es um das Lebendige der Naturform. In der Stilllebenfotografie zeigt sich die Eigenschaft des Mediums, Leben zu fixieren, um es im selben Moment als ein Memento mori zu stilisieren. Für seine Aufnahmen baut der Künstler eine Bühne, auf
der seine Objekte wie Protagonisten solo oder als Gruppe auftreten. Er nimmt die Szenen mit einer großformatigen Kamera in S/W auf, zieht sie auf mattem Barytpapier ab und koloriert sie mit Ölfarbenlasur. Die zarte Kolorierung erinnert an die Farbfotografie im 19. Jahrhundert, wo die manuelle Zugabe von Farbe eine größere Mimesis erlaubte und den sinnlichen Reiz des Dargebotenen erhöhte. Die Verlockung der Naturdinge macht Appetit auf Leben, um es im selben Moment in Frage zu stellen. Screamin’ Jay Hawkings Hexerei wirkt im Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebendigen: Carpe diem, heißt es, solange du lebst.
Dr. Christiane Stahl, Direktorin der Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin

Knut Wolfgang Maron

Auch Knut Wolfgang Maron ist ein Meister des analogen Kolorits. Er zählt zu den Pionieren der modernen künstlerischen Farbfotografie, insbesondere der Polaroidfotografie, die er als Cibachromeabzüge vergrößerte. Marons Weltsicht gründet auf einer meditativen Versenkung in die Natur. Seine seit über 40 Jahren andauernde Bildproduktion ist einem visuellen Hunger geschuldet, der unstillbar bleibt, weil diese Produktivität seine Lebensessenz darstellt: „Meine Suche nach Bildmotiven ist wie eine Sucht. In der Landschaft vergesse ich alles um mich herum. Dort bin ich eins mit der Welt, das geht bis zum Rausch.“ Maron will den ekstatischen Moment der künstlerischen Schöpfung wiederholen und sein transzendentes Erlebnis in Form von Bildern festhalten. Seine Bilder sind von betörender, aber auch verstörender Schönheit – dystopische Szenarien zeigen verletzte, verstrahlte Landschaften, die, im stetigen Wandel begriffen, den Menschen zum Trotz überleben werden. Man weiß nie, ob man eine Welt vor oder nach der Apokalypse betrachtet. Marons Geliebte ist die überzeitliche Natur, die er mit seinem Zauberkasten einfängt. Auch er könnte wie Screamin’ Jay Hawkins singen „cause you are mine!“, weil er sich die Natur als bildnerische Parallelwelt aneignet.
Dr. Christiane Stahl, Direktorin der Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin

Adrian Sauer

Anders als Krauss und Maron setzt sich Adrian Sauer mit den vielfältigen Aspekten der digitalen Farberzeugung und der menschlichen Wahrnehmung auseinander. Sauer will zeigen, dass „Bilder das Ergebnis mathematischer und wissenschaftlicher Prinzipien sind“ und eine Fotografie immer nur eine Abstraktion der Umwelt, die nie frei war von Manipulationen. Während Ingar Krauss mit handkolorierten Barytabzügen und Knut Wolfgang Maron mit Polaroids und Cibachromeabzügen sinnlich erfahrbare, analoge Materialien verwenden, die ihren Farbschmelz aus chemischen Elementen und Pigmenten beziehen, spielt Adrian Sauer auf der Klaviatur der RGB-Farbskala (Rot Gelb Blau), auf der unsere Bildschirme basieren. Steht man etwas entfernt von den Bildern der Serie 16.777.216 Farben als Feuerwerk, schaut man auf eine graue Fläche, weil die Addition aller RGB- Farbmischungen zusammen Grau ergibt. Das Feuerwerk entsteht erst, wenn man sich dem Bild nähert. Steht man nah am Bild, erkennt man unendlich viele farbige Pixel, darunter auch die aus den Primärfarben Rot, Gelb und Blau gemischten Sekundärfarben Grün, Orange und Violett. Die physische Präsenz des Betrachters ist notwendig und die Wahrnehmung herausgefordert. Und dann will man nicht mehr lassen von diesem Bild.
Dr. Christiane Stahl, Direktorin der Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin

I Put a Spell on You – Die Skulpturen

Dieter Kränzlein

„Immer wieder fordert Kränzlein vom Stein das Unmögliche: Er soll sich biegen und dehnen, elastisch und leicht machen. Eine große Werkgruppe beinhaltet deshalb Kissen- und Ovalformen. Das Schmeichelnde und Einladende des Kissens konterkariert die Sprödheit und Härte des Materiales; das Oval oder Ei als Ursprung des Lebens und des Wachstums steht der anorganischen Konsistenz des Steines gegenüber; einige Arbeiten wie beispielsweise das sogenannte „Marmorsegel“ wirken gebogen oder gewölbt, ein Charakteristikum, das dem festen oder brüchigen Stein diametral widerspricht.“
Torsten Obrist: In: Dieter Kränzlein. Skulpturen und Wandarbeiten. Ausgewählte Werke 1998 – 2008, hrsg. von GAM | Galerie Obrist, Essen, 2008, S. 17.